Kreditübernahme in existenzbedrohender Situation als außergewöhnliche Belastung

Die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten als außergewöhnliche Belastung setzt bekanntermaßen voraus, dass die Belastung außergewöhnlich ist, zwangsläufig erwächst und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Das Bundesfinanzgericht (BFG) hatte sich (GZ RV/1100477/2012 vom 25.2.2014) mit einer Konstellation auseinanderzusetzen, in der ein Vater den offenen Bankkredit seiner Tochter in Höhe von 12.800 € getilgt hatte und diese Zahlung als außergewöhnliche Belastung geltend machen wollte. Die Tochter konnte – hervorgerufen durch gesundheitliche Probleme, die schwere Vereinbarkeit von Arbeit und Ausbildung sowie als alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Kindes – einen für sie unter sehr ungünstigen Konditionen eingegangenen Bankkredit nicht mehr bedienen. Ohne die Hilfestellung durch ihren Vater wäre sie sehr wahrscheinlich in einen Teufelskreis geraten, da sie wohl die Ausbildung hätte abbrechen müssen, um zumindest kurzfristig mehr arbeiten und verdienen zu können – aufgrund der fehlenden Ausbildung wären aber ihre Jobchancen und Verdienstmöglichkeiten langfristig jedoch schlechter gewesen.

Das im vorliegenden Fall entscheidende Merkmal einer außergewöhnlichen Belastung ist die Zwangsläufigkeit der Zahlung. Der Vater war der Ansicht, dass es seine sittliche Verpflichtung sei, das eigene Kind in Notlagen zu unterstützen. Außerdem hatte die Tilgung des Kredits durch den Vater tatsächlich eine positive Entwicklung von Tochter und Enkelin zur Folge. Das Finanzamt sah hingegen keine Zwangsläufigkeit aus rechtlicher Sicht, da keine existenzbedrohende Notlage gegeben war. Der Vater hätte seiner Tochter – wie es in Familienkreisen durchaus üblich ist – stattdessen auch ein zinsloses Darlehen gewähren können. Hingegen sei die Zuwendung eines nicht rückzahlbaren Geldbetrags bzw. im konkreten Fall die Tilgung eines fremden Kredits ja gerade Ausdruck fehlender Zwangsläufigkeit und somit keine außergewöhnliche Belastung.

Das Vorliegen einer Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen wird in der österreichischen Rechtsprechung und Literatur – anders als etwa in Deutschland – sehr restriktiv ausgelegt. Jedoch ist auch in Österreich eine sittliche Verpflichtung für die (finanzielle) Unterstützung von Angehörigen anzunehmen wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass die Schulden schicksalsbedingt sind und nicht unnotwendig oder leichtfertig eingegangen wurden. Das BFG kam zur bemerkenswerten Entscheidung, dass die Kreditrückzahlung durch den Vater bei ihm eine außergewöhnliche Belastung darstellt. In Anlehnung an ein VwGH-Erkenntnis zur außergewöhnlichen Belastung bei einer Bürgschaftsübernahme ist ausschlaggebend, dass der Vater glaubte und auch glauben durfte, durch sein Eingreifen eine existenzbedrohende Notlage von seiner Tochter abwenden zu können. Wichtig ist auch, dass die Schulden von der Tochter nicht leichtfertig eingegangen worden sind, sondern auf den elementaren Wunsch nach einer Wohnungseinrichtung zurückzuführen sind. Der Vater sah als einzige Möglichkeit zur Abwehr der existenzbedrohenden Notlage die persönliche Übernahme der Schulden (Tilgung des Kredits). Einem objektiven Pflichtbegriff entsprechend und nicht nur hohen moralischen Vorstellungen, konnte sich der Vater aus sittlichen Gründen nicht der übernommenen Belastung entziehen, weshalb eine außergewöhnliche Belastung vorliegt.

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