Zwei befreundete Personen erwarben zwei Eigentumswohnungen, um sie jeweils an das Kind des anderen fremdüblich zu vermieten. Die Wohnungen befanden sich im selben Haus und hatten idente Wohnflächen. Die Vermieter haben die mit dem Erwerb der jeweiligen Wohnung zusammenhängende Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Die Vermietungseinkünfte (Vermietung zu Wohnzwecken) wurden konsequenterweise der Umsatzsteuer in Höhe von 10% unterworfen. Das Finanzamt und der UFS sahen ausschließlich steuerliche Gründe (Steuerminderung durch Geltendmachung des Vorsteuerabzugs) für diese Konstruktion unter Freunden und werteten sie als Missbrauch im Sinne des §22 BAO mit Nichtanerkennung der Vermietungstätigkeit als Folge. Der VwGH (GZ 2010/15/0010 vom 18.10.2012) entschied jedoch, dass diese Gestaltung keinen Missbrauch darstellt.
Gemäß VwGH-Rechtsprechung wird als Missbrauch eine Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung – vor dem Hintergrund des mit dem Abgabengesetz verfolgten Zieles – ungewöhnlich und unangemessen ist und die nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Der VwGH argumentierte im vorliegenden Fall, dass es gemäß der Sechsten (MwSt) Richtlinie den Mitgliedstaaten freigestellt ist, ob sie die Vermietung von Grundstücken (für Wohnzwecke) prinzipiell steuerfrei stellen wollen und somit auch der Vorsteuerabzug wegfällt oder ob sie Ausnahmen von der Steuerbefreiung festlegen und somit der Vorsteuerabzug zugelassen werden muss. Da sich Österreich im Bereich der Vermietung für Wohnzwecke gerade für die Umsatzsteuerpflicht entschieden hat, stellt der damit verbundene Vorsteuerabzug im vorliegenden Fall keinen Steuervorteil dar, der dem verfolgten Ziel der Richtlinie oder des nationalen Rechts zuwiderläuft. Außerdem führt die Vermietung per se nicht dazu, dass die mit den Mieteinnahmen verbundene Umsatzsteuer (automatisch) geringer ist als der mit dem Erwerb der Wohnung verbundene Vorsteuerabzug.
Schließlich teilte der VwGH auch nicht die Ansicht der Finanzverwaltung bzw. des UFS, dass keine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, da die Erwerber der Wohnungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise quasi ihren eigenen Kindern die Wohnung vermieten und dazu noch selbst für deren Unterhalt aufzukommen haben. Dem VwGH folgend wurde nämlich gerade diese Konstruktion (Wohnungsüberlassung als Form der Unterhaltsgewährung) nicht gewählt, sondern die Wohnung am Markt vermietet und dem Wohnbedürfnis des eigenen unterhaltspflichtigen Kindes durch die Zurverfügungstellung finanzieller Mittel für die Anmietung einer anderen (wenn auch im selben Haus befindlichen) Wohnung entsprochen. Nach Auffassung des VwGH wäre es überschießend anzunehmen, dass die Vermietung von Eigentumswohnungen erst dann möglich sein soll, wenn das Wohnbedürfnis aller unterhaltspflichtigen Kinder gestillt ist.