BAO-Praxis – Die Bescheidbegründung

Notwendige Bescheidmerkmale

Da das Vorliegen eines formell ordnungsgemäßen Bescheides Voraussetzung für die Eröffnung eines inhaltlichen Berufungsverfahrens ist, ist es wichtig zu wissen, welche die gesetzlich verlangten Bescheidmerkmale sind.

Ein Bescheid ist gem § 93 Abs 2 BAO als Bescheid zu bezeichnen, hat einen Spruch zu enthalten und den Bescheidadressaten zu nennen. Der Spruch stellt die eigentliche Willenserklärung der Behörde dar und es muss sich somit ihr normativer Inhalt klar aus der Formulierung des Bescheides ergeben.
Weiters hat ein Bescheid gem § 90 Abs 3 lit a BAO eine Begründung zu enthalten, wenn ihm ein Anbringen zugrunde liegt, dem nicht vollständig Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird. Das Merkmal der Begründung stellt den Kern des vorliegenden Beitrages dar.
Zusätzlich hat der Bescheid gem § 90 Abs 3 lit b BAO auch eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten, ob, in welcher Frist und bei welcher Behörde ein Rechtsmittel eingebracht werden kann. Fehlt die Rechtsmittelbelehrung oder wird ein Rechtsmittel zu Unrecht nicht zugelassen, beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen.
Schließlich muss gem § 96 BAO die bescheidausstellende Behörde bezeichnet werden, ein Datum aufscheinen (dessen Fehlen jedoch keine unmittelbare Rechtsfolge hat), und schließlich eine Unterschrift bzw Beglaubigung (ausgen. automationsunterstützt erstellte Bescheide).

Bescheidmerkmal „Begründung“

Nach der ständigen Rechtsprechung hat die Begründung zu umfassen:

  • den Sachverhalt, den die Behörde als erwiesen annimmt, wobei ein Hinweis auf dem Abgabepflichtigen bekanntes Aktenmaterial keinesfalls eine zusammenhängende Darstellung des Sachverhaltes ersetzen kann.
  • die Beweiswürdigung, aus welcher klar und schlüssig hervorgeht, was die Behörde dazu veranlasst hat, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen.
  • eine Darstellung der rechtlichen Beurteilung, der zufolge die Behörde die Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände durch den in der Begründung angeführten Sachverhalt für gegeben erachtet (zB VwGH 3.7.2003, 98/15/0128);
  • allenfalls die Beurteilung von Vorfragen.
  • die Angabe der maßgebenden Umstände bei Ermessensentscheidungen (VwGH 23.10.1987, 84/17/0220), weil die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz dies erfordert (zB VwGH 24.3.2004, 2001/14/0083). Außerdem dient es dem Schutz vor Willkür und der rechtsstaatlichen Kontrolle (VwGH 20.12.1989, 89/01/0216).
  • die Begründung muss jedenfalls so geartet sein, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag gefunden hat, sowohl für die Partei als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar ist (zB VwGH 29.10.2003, 2000/13/0028).

Zusammenhang zwischen Begründung und Beginn der Rechtsmittelfrist

Das Wissen um den Inhalt einer gesetzeskonformen Bescheidbegründung ist Grundlage für weitere verfahrensrechtliche Schritte. Insbesondere ist der Zusammenhang zwischen der Art der Begründung und der Lauf der Rechtsmittelfrist für die Rechtzeitigkeit der Einbringung von besonderer Bedeutung. Es seien die folgenden vier möglichen Fallvarianten aufgezeigt:

„Idealfall“

Im verfahrensrechtlichen Idealfall enthält der Bescheid eine vollständige, ausführliche und somit gesetzeskonforme Begründung. Die vierwöchige Berufungsfrist beginnt somit gem § 245 1. Fall BAO mit Zustellung des Bescheides.

„echter Begründungsnachtrag“

Es kann jedoch der – durchaus nicht unübliche – Fall eintreten, dass der Bescheid (noch) keine qualifizierte Begründung enthält, sondern stattdessen die gesonderte Zustellung der (eigentlichen) Begründung angekündigt wird. Dies ist der einzige Fall, bei dem sich der Parteienvertreter zurücklehnen und die Zustellung der gesonderten Begründung in aller Ruhe abwarten kann. Denn gem § 245 2. Fall BAO beginnt bei einem echten Begründungsnachtrag die Berufungsfrist (erst) mit Zustellung der gesondert ergehenden Begründung.

„unechter Begründungsnachtrag = Begründungsverweis“

Hierbei enthält der Bescheid wiederum keine ausführliche und alle Punkte umfassende Begründung sondern lediglich einen Verweis auf Ausführungen an anderen Orten. Dies kann nun ein Verweis auf die Begründung eines anderen, bereits früher ergangenen Abgabenbescheides sein, oder aber auch der in der Praxis gehäuft anzutreffende Verweis auf die Ausführungen eines Prüfungsberichtes. Das praktische Problem dabei ergibt sich oft daraus, wenn es sich zB um einen Wiederaufnahmebescheid als Folge einer gerade stattgefundenen Außenprüfung handelt, allerdings jener Prüfungsbericht, auf den verwiesen wird, noch gar nicht beim Parteienvertreter eingetroffen ist.
Wird nun die Zustellung des Prüfungsberichtes abgewartet und die Berufung erst nach dessen Einlangen eingebracht, kann die Berufungsfrist bereits abgelaufen sein und vom Finanzamt – zu Recht – infolge Fristversäumnis zurückgewiesen werden.
Die Zustellung des Prüfungsberichtes sollte daher beobachtet und nötigenfalls beim Finanzamt urgiert werden bzw. sollten rechtzeitig entsprechende verfahrensrechtliche Schritte gesetzt werden (wie insbesondere Verlängerung der Berufungsfrist gem § 245 Abs 3 BAO)

„Begründungsmangel“

Enthält der Bescheid überhaupt keine bzw. keine vollständige Begründung, dann liegt ein Begründungsmangel vor. Eine unvollständige Begründung liegt insbesondere dann vor, wenn im Rahmen von Ermessensmaßnahmen, wie jener der vorläufigen Veranlagung nach § 200 BAO, zwar die tatbestandliche Ungewissheit dargestellt, jedoch keinerlei Erwägungen über die Ermessensübung in der Begründung zu finden sind.
Bei Vorliegen derartiger Begründungsmängel beginnt die Berufungsfrist zwar grundsätzlich mit Zustellung des Bescheides zu laufen, jedoch ist sie durch eine verfahrensrechtliche Maßnahme (Antrag auf Nachreichung der gänzlich bzw teilweise fehlenden Begründung gem § 245 Abs 2 iVm § 93 Abs 3 lit a BAO) solange hemmbar bis eine (vollständige) Begründung nachgereicht wird.

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