„Negativzinsen“ – Banken dürfen Zinssatz nicht nur nach unten hin begrenzen

Das aktuell niedrige Zinsniveau führt zwar dazu, dass auf Konten und Sparbüchern keine Zinsen lukriert werden können, auf der anderen Seite sind allerdings auch die Kreditzinsen historisch niedrig und können somit zu einer günstigen Bedienung und Rückzahlung von Krediten beitragen. Voraussetzung ist freilich, dass ein variabler Zinssatz vereinbart wurde, der sich bei Krediten in EUR typischerweise am Euribor orientiert. So ist es etwa gängige Praxis, dass basierend auf dem 3-Monats-Euribor (3M-Euribor) quartalsweise der aktuelle 3M-Euribor als Basis- bzw. Referenzzinssatz herangezogen wird und durch einen (Zins)Aufschlag (Spread) erhöht wird. Der für die Zinsberechnung maßgebende Zinssatz hängt also von einem variablen (Basis)Zinssatz und dem vereinbarten (Zins)Aufschlag ab und ändert sich quartalsweise, sofern der Basiszinssatz einer Änderung unterliegt.

Mögliche Folgen eines negativen Basiszinssatzes

In jüngster Vergangenheit ist etwa der 3M-Euribor als Basiszinssatz negativ geworden, wodurch sich üblicherweise die folgenden drei Möglichkeiten für die Berechnung des Kreditzinssatzes ergeben. Beispielhaft sei angenommen, dass der Aufschlag (Spread) 1,15% (dies entspricht 115 Basispunkten) beträgt und der 3M-Euribor bei -1,5% liegt.

  1. Vergleichbar der typischen Zusammenrechnung von Basiszinssatz und Spread errechnet sich im Beispielfall ein Zinssatz von -0,35%. Die Auswirkungen des negativen Basiszinssatzes würden vollständig an den Kreditnehmer weitergegeben – die Bank als Kreditgeber müsste dem Kreditnehmer Zinsen zahlen.
  2. Der Zinssatz (ingesamt) wird mit 0% festgelegt und somit der negative Basiszinssatz zum Teil an den Kreditnehmer weitergegeben.
  3. Der Basiszinssatz wird mit 0% festgelegt – zusammen mit dem Spread ergibt sich ein Zinssatz von 1,15% (Zinssatz entspricht dem Spread). In dieser Konstellation wird der negative Basiszinssatz gar nicht an den Kreditnehmer weitergegeben – der Spread stellt also den vom Kreditnehmer zu zahlenden Mindestzinssatz dar.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich in letzter Zeit mehrmals mit Konstellationen auseinanderzusetzen, bei denen die Vertragsparteien zu einem Kreditvertrag mit variablem Zinssatz – es handelt sich dabei um Geschäftsbanken und Privatkunden – sehr konträre Ansichten zu den Folgen eines negativen Basiszinssatzes hatten. Während die Banken oftmals in Form einer Mitteilung darauf hinwiesen, dass der „Zinsindikator“ (Basiszinssatz) auch bei einem tatsächlich negativen Wert mit 0,0% festgelegt würde, waren die Privatkunden der Ansicht, dass anstelle einer einseitigen Zinsuntergrenze der negative Basiszinssatz zumindest teilweise an sie weitergegeben werden müsse.

Banken müssen keine Zinsen an Kreditnehmer zahlen

In seinem Urteil vom 30.5.2017 (GZ 8 Ob 101/16k) stellte der OGH klar, dass es selbst in der theoretisch möglichen und rechnerisch denkbaren Situation (siehe Beispiel 1 oben) nicht dazu kommen könne, dass die Bank als Kreditgeber Zinsen zahlen muss, wenn die Summe aus Basiszinssatz und Aufschlag einen negativen Zinssatz ergibt. Das ist auch damit zu erklären, dass ein redlicher Kreditnehmer bei Vertragsabschluss nicht damit rechne, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten, sodass der Kreditgeber insgesamt möglicherweise weniger zurückerhält, als er zur Verfügung gestellt hat. Außerdem sei der übereinstimmende Parteiwille über Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt bei einem Kreditvertrag typischerweise so, dass die Zahlungsverpflichtung der kreditgebenden Bank an den Kreditnehmer ausgeschlossen ist. Vergleichbares gilt übrigens auch bei Spareinlagen von Verbrauchern – der Sparer muss keine Zinsen zahlen, damit die Bank sein Erspartes verwahrt.

Wenngleich also die „klassische“ Rollenverteilung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer nicht umgekehrt wird und die Bank keine Zinsen an den Kreditnehmer zahlen muss bzw. die Restschuld verringern muss, stärkt in einer weit praktischeren Frage der OGH den Kreditnehmern (Verbrauchern im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes) den Rücken. Wie oben beispielhaft in Variante 2 bzw. 3 dargestellt, geht es darum, ob der negative Basiszinssatz zumindest teilweise an den Kreditnehmer weiterzugeben ist oder ob der variable Zinssatz mit 0% „eingefroren“ werden kann und jedenfalls der (Zins)Aufschlag als Untergrenze zu verrechnen ist. Seitens der Banken wird diese Art der Verrechnung oftmals damit argumentiert, dass durch den Aufschlag zumindest die Produktions-, Risiko- und Eigenkapitalkosten gedeckt werden sollen. Theoretisch betrachtet könnte die Verrechnung des Zinsaufschlags (im Sinne einer Mindestzahlung) z.B. auch damit argumentiert werden, dass ein entgeltliches Gelddarlehen nur dann vorliegt, wenn der Kreditnehmer dem Kreditgeber neben der Kreditsumme weitere Zahlungen als Gegenleistung für die Kapitalnutzung leistet.

Rückzahlung zu viel berechneter Zinsen?

Hingegen spricht die Besonderheit eines Kredites mit variablem Zinssatz – im Vergleich zu einem Kredit mit fixer Verzinsung – für die Weitergabe des Vorteils aus einem negativen Referenzzinssatz an den Kreditnehmer. Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kreditnehmer bei Vertragsabschluss mit einer ausgewogenen Verteilung von Chancen und Risiken gerechnet habe und daher die Chance auf einen geringeren bzw. einen 0%-Zinssatz nicht durch eine sogenannte „Stop-Loss-Klausel“ genommen werden dürfe. Anders als bei einem Kredit mit einem fixen Zinssatz, bei dem für beide Vertragsparteien Unter- und Obergrenze festgelegt sind, ist dem OGH folgend die Begrenzung des Indikators mit 0,0% (nach unten) – ohne gleichzeitige Vereinbarung einer symmetrischen Obergrenze – mit den Grundlagen des Konsumentenschutzgesetzes unvereinbar. Um den Verbraucherschutz zu gewährleisten, muss nämlich bei Zinsgleitklauseln eine Entgeltsenkung im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung erfolgen. Eine Begrenzung des variablen Referenzzinssatzes mit 0% als Untergrenze wäre also nur dann rechtens, sofern auch der Zinssatz nach oben hin entsprechend begrenzt wäre – vergleichbar der typischen Situation bei Bauspardarlehen.

Aufgrund der Aktualität des Themas ist anzunehmen, dass die Geschäftsbanken unterschiedlich (schnell) auf das OGH-Urteil reagieren werden. Für Kreditnehmer, die unter das KSchG fallen und einen Kredit mit variablem Zinssatz bedienen oder bedient haben, könnte es bald zu einer Rückerstattung von seit dem Jahr 2015 zu viel bezahlten Zinsen kommen.

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