Die COVID-19-Krise ruft zumindest kurzfristig betrachtet in vielen Unternehmen den Drang bzw. die Notwendigkeit von drastischen Einsparungen hervor. Sofern jedoch ein bestimmter Grundoptimismus an bessere Zeiten und an ein Überwinden dieser Krise besteht, sollte sich ein Unternehmen auch mit der Thematik Investitionen auseinandersetzen. Investitionen können dabei allerdings eine ambivalente Rolle spielen. Auf der einen Seite sind gerade Einsparungen bei Investitionen ein (auf den ersten Blick) wirksames Mittel zur Schonung der Liquidität. Überdies stellen nicht durchgeführte Investitionen eine „taktische Manövriermasse“ dar, um kurzfristig operative Zahlungen leisten zu können. Andererseits können gerade unterlassene Investitionen die mittel- und langfristigen Renditemöglichkeiten gefährden, da beispielsweise ohne Investitionen gerade dann die (Produktions)Anlagen veraltet sind oder zu geringe Kapazitäten zu Verfügung stehen, wenn das wirtschaftliche Umfeld wieder zur alten Stärke zurückgefunden hat.
Negativ betrachtet positioniert sich das Unternehmen durch nicht getätigte Investitionen möglicherweise schwächer am Markt und verschlechtert dadurch seine Marktposition sogar langfristig. Dabei ist auch das Risiko eines sogenannten Investitionsstaus zu beachten. Neben dem richtigen Zeitpunkt für die generelle Entscheidung für Investitionen müssen noch die Implementierungsdauer der Investitionen sowie der damit zusammenhängende Investitionszyklus berücksichtigt werden – erfolgt dies nicht, kann es zu einem Investitionsstau kommen. Eine durchdachte Investitionsstrategie (welche z.B. Investitionszyklen und Konjunkturzyklen berücksichtigt) und ein damit zusammenhängendes robustes Investitionsmanagement sind also unabdingbar, um den Umschwung aus einer drohenden Verlustsituation hin zu längerfristigen Gewinnen erreichen zu können.
Der Grundgedanke für eine durchdachte Investitionsstrategie liegt darin, dass durch Investitionen und Kapitaleinsatz zusätzliche Gewinne erwirtschaftet werden sollen. Investitionen können nach unterschiedlichen Zielen eingeordnet werden – beispielsweise als Investition in zusätzliche Kapazitäten zwecks Wachstums. Investitionen in neue Technologien können z.B. zu effizienteren Produktionsprozessen führen und durch Kostenreduktion die Gewinne erhöhen. Schließlich können Investitionen tragfähiges Wachstum bewirken und damit der Nachhaltigkeit des unternehmerischen Handelns dienen.
Ersatzinvestitionen, Erweiterungsinvestitionen und Innovationsinvestitionen
Eine häufige Einteilung von Investitionen erfolgt in Ersatz-, Erweiterungs– und Innovationsinvestitionen. Ersatzinvestitionen ersetzen Güter, welche sich durch den Wertschöpfungsprozess abgenutzt haben; es kommt jedoch zu keiner Erweiterung der originären Kapazitäten. Hingegen vergrößern Erweiterungsinvestitionen die Kapazitäten des Unternehmens, ohne jedoch das Geschäftsmodell grundsätzlich zu verändern. Innovationsinvestitionen schließlich bilden die Basis für eine tiefgreifende Veränderung des Geschäftsmodells des Unternehmens, etwa durch neue Produkte, Märkte oder Herstellungsverfahren. Die unterschiedlichen Kategorien von Investitionen sind jedenfalls durch verschieden hohe Risiken und einen jeweils unterschiedlichen Zeithorizont gekennzeichnet – gerade in Krisenzeiten sind das wesentliche Aspekte. So können Ersatzinvestitionen in der aktuellen Corona-Krise ausgelassen werden, um die Liquiditätsreserven zu stärken. Dies ist auch betriebswirtschaftlich durchaus verständlich, da aufgrund der geringeren Nachfrage die Produktion gedrosselt werden kann. Längerfristig betrachtet, insbesondere bei einer Marktberuhigung, müssen die Produktionskapazitäten jedoch wieder erhöht werden – unter Umständen kann dies aufwendiger sein als zum Zeitpunkt der verschobenen Investition, da sich die Rahmenbedingungen, wie etwa Infrastruktur oder Geschäftsbeziehungen und -erfahrungen, inzwischen geändert haben. Innovationsinvestitionen hingegen sind zumindest kurzfristig gesehen mit hohem Risiko und bloß einer geringen Rendite verbunden. In Krisenzeiten sind Unternehmen daher oftmals dazu verleitet, solche Investitionen hintanzustellen, wenngleich dadurch strategische Optionen fallengelassen werden.
Die richtige Investitionsentscheidung und damit verbunden das Investitionsmanagement können mittels Einordnung der potentiellen Investitionen in die bereits erwähnten Kategorien unterstützt werden (auch z.B. durch eine Matrixdarstellung). Die Einteilung erfolgt dabei in Abhängigkeit von der Rendite (Return on Investment) einerseits und von den Kapitalanforderungen (ausgedrückt am Anteil vom Investitionsbudget) andererseits. Wenn Investitionen eine hohe Rendite (verglichen mit dem benötigten Investitionskapital) bieten und zugleich einen großen Anteil an dem Investitionsbudget benötigen, können sie grundsätzlich als attraktive Investitionen betrachtet werden (auch wenn sie aufgrund der hohen Kapitalanforderungen andere Investitionen verdrängen). Ein anderes Feld (Kategorie) erfasst Investitionen, die ebenfalls eine hohe Rendite versprechen, jedoch nur einen geringen Anteil am Investitionsbudget benötigen. Deutlich weniger attraktiv sind jene Investitionen, welche einen hohen Kapitalbedarf zeigen, der erwartete ROI jedoch nur sehr bescheiden ausfällt. Die vierte Kombination ist schließlich jene aus geringer Rendite und geringem Anteil am Investitionsbudget. Gerade in Krisenzeiten wie der aktuellen COVID-19-Krise liegt die Herausforderung für Unternehmen auch darin, das Investitionsportfolio ganzheitlich zu betrachten und Renditeforderungen mit der beschränkten Verfügbarkeit von Kapital auszubalancieren.
Qualitative und quantitative Investitionsbewertung als Schlüssel zum Ziel
Für die erfolgreiche Umsetzung von Investitionsstrategien können qualitative und quantitative Investitionsbewertungen herangezogen werden. Die qualitativen Faktoren sind dabei oftmals wirtschaftlicher, technischer, sozialer oder rechtlicher Natur. Dabei können auch Parameter einer Investition wie z.B. strategischer Nutzen, Flexibilität, ökologische Nachhaltigkeit oder bestehende Erfahrung (in Bezug auf Investitionen) eine wichtige Rolle spielen. Dadurch kann sich herausstellen, dass eine Investition aufgrund von qualitativen Vorteilen auch in Krisenzeiten vorgenommen werden sollte, selbst wenn quantitativ betrachtet (d.h. typischerweise die Rendite) kein zwingender Anlass für eine Investition bestand.
Der strategische, langfristige Nutzen einer Investition kann darin bestehen, dass es zu positiven Werbeeffekten und Kundenbindung kommt und somit auch eine renditemäßig geringer dimensionierte Investition während Krisenzeiten zu attraktiven Folgeaufträgen führt. Der ausschließliche quantitative Fokus auf jede einzelne Investition für sich könnte hingegen langfristig betrachtet irreführend sein. Flexibilität ist auch in Krisenzeiten grundsätzlich eine positive Eigenschaft und kann bezogen auf Investitionen jedoch insoweit problematisch sein, da beispielsweise bereits begonnene Investitionen oftmals nur mit großen Verlusten reduziert oder gänzlich rückgängig gemacht werden können. Der Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition kann schließlich – auch in Krisenzeiten – den Ausschlag geben, ob ein Unternehmen eine Investition durchführt oder nicht. Dies trägt auch dem immer bedeutsameren gesellschaftlich und politisch gewollten Wandel zu umweltschonenden Technologien Rechnung. Schließlich ist auch der Aspekt der Erfahrung gerade in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen. Es sind nicht nur die eigenen Kompetenzen zur Durchführung einer Investition mitentscheidend, sondern es gilt auch, äußere Einflüsse in anders funktionierenden Märkten in turbulenten Zeiten möglichst gut einschätzen zu können.
Mithilfe der quantitativen Investitionsbewertung kann – oftmals durch das Controlling – dazu beigetragen werden, dass nicht tragbare Investitionen frühzeitig erkannt werden und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. In Krisenzeiten muss jedenfalls risikoangepasste Liquiditätsplanung immer mitbedacht werden. Die wesentlichen Parameter der quantitativen Investitionsbewertung umfassen die Planung zukünftiger Zahlungsströme (der Investition), die Berechnung der Bewertungskriterien und den Vergleich der Bewertungskriterien mit Schwellenwerten.
- Bei der Planung der zukünftigen Cash Flows sollte in Zeiten wie der COVID-19-Krise noch größere Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Idealerweise können Investitionen durch operative Cash Flows finanziert werden – dabei müssen wiederum die Liquiditätsrisiken richtig eingeschätzt werden, um nicht die Insolvenz des Unternehmens zu riskieren. Sofern die Zahlungsströme für die geplanten Investitionen und die dafür notwendige Liquidität nicht aufeinander abgestimmt werden können, müssen die zusätzlichen Mittel für die Investition in Form von Fremdkapital oder durch Thesaurierung sichergestellt werden.
- Barwert, interner Zinsfuß oder auch die Amortisationsdauer sind typische Bewertungskriterien für Investitionen mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen (z.B. liegt eine Schwäche des internen Zinsfußes in der Annahme, dass die Zahlungsströme der Investition wieder zum internen Zinsfuß angelegt werden müssen). Für Bewertungen in Krisenzeiten haben diese Methoden oftmals den Schwachpunkt, dass nicht berücksichtigt werden kann, ob der Kapitaleinsatz für eine Investition tatsächlich durch die Cash Flows gedeckt werden kann. So gibt etwa der Barwert (net present value) einer Investition keinen Aufschluss darüber, wie hoch der notwendige Kapitaleinsatz ist oder wie zeitintensiv eine Investition ist. Daher kann es schwierig sein, nur mit einem begrenzten Budget während der Krise die beste Investitionsentscheidung mittels der Barwertmethode zu finden.
- Die verschiedenen Bewertungskriterien können meist erst dann richtig an Aussagekraft gewinnen, sobald sie mit seitens des Unternehmens festgelegten Schwellenwerten verglichen werden und somit klar wird, ob bzw. welche Investition durchgeführt werden soll. Hierbei kann es zielführend sein, mehrere Bewertungskennzahlen für die Entscheidung heranzuziehen und somit einen umfassenden Vergleich zu ermöglichen. Während Krisenzeiten tendieren Unternehmen dazu, Schwellenwerte wie die Amortisationsdauer oder den internen Zinsfuß anzuheben, um das Ausmaß an Investitionen zwecks Sicherung der Liquidität zu verringern. Bei dieser Vorgehensweise muss mitberücksichtigt werden, dass Projekte mit höheren internen Renditen (die somit den Schwellenwert überschreiten) auch stärker risikobehaftet sind.
Mit der COVID-19-Krise muss nicht nur eine Krise bewältigt werden – es besteht auch die Möglichkeit, dass die aktuell wirtschaftlich schwierigen Umstände sich im Endeffekt als Chance für Veränderung und Verbesserung der Wettbewerbssituation präsentieren. Hinsichtlich Investitionsentscheidungen ist es daher empfehlenswert, eine Gesamtperspektive einzunehmen und nicht bloß auf das (Nicht)Erreichen von Schwellenwerten abzustellen. Ebenso müssen qualitative Investitionskriterien die wohlüberlegte Investitionsentscheidung abrunden.