Die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2021

Die Konzernverrechnungspreise haben nicht zuletzt durch das BEPS-Projekt der OECD und durch die Einführung des Verrechnungspreisdokumentationsgesetzes (VPDG) in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Das Kernelement der Verrechnungspreise liegt in dem Fremdverhaltensgrundsatz („dealing at arm’s length principle“, das auch generell für die Beziehung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft relevant ist) und führt dazu, dass grenzüberschreitende Transaktionen im Konzern so bepreist werden müssen, als ob mit einem fremden Dritten kontrahiert würde bzw. als ob zwei fremde Unternehmen miteinander verhandeln würden. Gegenüber den Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten muss die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise regelmäßig in Form einer Verrechnungspreisdokumentation (typischerweise Master File und Local File) nachgewiesen werden. Gelingt dies nicht, drohen Gewinnerhöhungen durch Betriebsprüfungen und im schlimmsten Fall kann es auch zu Doppelbesteuerung kommen.

Die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien, welche sich sehr stark an den Entwicklungen der OECD und auch an den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (2017) orientieren, sind zwar für den Steuerpflichtigen nicht bindend, geben aber gute Einblicke in die Erwartungen an Verrechnungspreise seitens der Finanzverwaltung, nicht zuletzt da die Verrechnungspreisrichtlinien für die österreichische Finanzverwaltung bindend sind. Rund 11 Jahre nach den österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2010 wurden Anfang Oktober 2021 die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2021 (VPR 2021) neu verlautbart. Der grundsätzliche Aufbau hat sich nicht wesentlich verändert – der Umfang der Richtlinien ist jedoch gestiegen und umfasst rund 180 Seiten. Die wesentlichen Teilbereiche der VPR 2021 sind „Multinationale Konzernstrukturen“, „Multinationale Betriebsstättenstrukturen“, „Dokumentations- und Meldepflichten“ sowie „Abgabenbehördliche Verrechnungspreisprüfung“.

Multinationale Konzernstrukturen

Im Teilbereich Multinationale Konzernstrukturen sind neben den fünf OECD-Verrechnungspreismethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode, Gewinnteilungsmethode und Transaktionsbezogene Nettomargenmethode) auch Erläuterungen zu den verschiedenen konzerninternen Transaktionen wie auch weitere Aspekte zur generellen Verrechnungspreisgestaltung enthalten.

In der Praxis spannende Themen sind regelmäßig jene der Year-End-Adjustments (Jahresendanpassungen) und die (mögliche) Korrektur auf den Median, wenn ein konzernintern angesetzter Preis außerhalb der Bandbreite fremdüblicher Werte liegt. An Jahresendanpassungen wurden bereits in der Vergangenheit strenge Anforderungen gesetzt, selbst wenn Jahresendanpassungen betriebswirtschaftlich betrachtet oftmals praktikabel sind. Durch unterjährige Anpassungen und durch Jahresendanpassungen – beides erfordert entsprechend aufmerksames Monitoring – kann nämlich sichergestellt werden, dass Routineunternehmen konstant eine angemessene Vergütung erhalten, welche deren Funktions- und Risikoprofil entspricht (Chancen und Risiken werden überwiegend vom Zentralunternehmer getragen). Bei der Frage der Mediankorrektur war die heimische Finanzverwaltung bislang und teilweise entgegen internationalen Gepflogenheiten der Ansicht, dass zwingend auf den Median angepasst werden muss, wenn der vom Steuerpflichtigen angesetzte Preis außerhalb der Bandbreite der Fremdvergleichswerte liegt (z.B. außerhalb der Ergebnisse einer Datenbankstudie). Die VPR 2021 sehen nun vor, dass auch eine Korrektur auf einen Wert innerhalb der Bandbreite (z.B. knapp oberhalb/unterhalb der entsprechenden Grenze) möglich ist, wenn der Nachweis gelingt, dass der angestrebte Korrekturwert am verlässlichsten ist.

Praktische Aspekte zu Dienstleistungen und Finanzierungstransaktionen im Konzern

Während konzerninterne Dienstleistungen ein Dauerbrenner in Verrechnungspreisfragen und der damit zusammenhängenden -dokumentation sind, haben die konzerninternen Finanzierungstransaktionen wie etwa Darlehen, Garantien oder ein Cash Pool in den letzten Jahren und trotz Niedrigzinsphase stark an Bedeutung gewonnen. Bei Dienstleistungen sind meistens die Kostenbasis und die Höhe des verrechneten Gewinnaufschlags Ausgangspunkt für mögliche Diskussionen mit der Betriebsprüfung. Die VPR 2021 führen beim Gewinnaufschlag zu einer bedeutsamen Änderung – nunmehr kann bei Routinedienstleistungen zur Untermauerung der Fremdüblichkeit des Gewinnaufschlags ohne Nachweis durch eine Datenbankstudie mit Verweis auf das EU-Joint Transfer Pricing Forum ein (Netto)Gewinnaufschlag zwischen 3 % und 10 % (häufig 5 %) angesetzt werden. Bislang (somit für vor dem 1.1.2022 erbrachte Dienstleistungen mit Routinecharakter) konnte ein (Brutto)Gewinnaufschlag zwischen 5 % und 15 % herangezogen werden. Unter Berücksichtigung gewisser Voraussetzungen stellt auch der sogenannte Low value-adding intra-group services Ansatz der OECD eine Möglichkeit dar, einen Gewinnaufschlag von 5 % bei konzerninternen Dienstleistungen zu untermauern.

Im Rahmen der Finanzierungstransaktionen zeigen die VPR 2021 im Vergleich zum Vorgänger aus dem Jahr 2010 ein strukturierteres Bild und beweisen überdies, dass Österreich der internationalen Ausrichtung im Bereich Finanztransaktionen gerecht wird. Bei der fremdüblichen Festsetzung von Zinssätzen im Konzern sollten mitunter folgende Aspekte berücksichtigt werden. Die Konzernzugehörigkeit wirkt sich typischerweise auf die Kreditwürdigkeit (Bonität) des Darlehensnehmers aus und führt zu einem angepassten Stand-alone Rating. Praktisch relevant ist auch der Umstand, dass konkret vorliegende Kreditangebote einer Bank – sofern diesen eine ausführliche Bonitätsprüfung zugrunde liegt – den VPR 2021 folgend einen angemessenen Preisvergleich darstellen können und somit für die Plausibilisierung von Zinssätzen bei konzerninternen Darlehen herangezogen werden können. Hingegen reicht eine Stellungnahme einer Bank, zu welchen Zinsen sie ein Darlehen gewähren würde, regelmäßig nicht für einen Fremdvergleich aus.

Betriebsstätten und der „AOA-light“

Unternehmensgewinne werden grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens besteuert, sofern nicht in einem anderen Staat eine Betriebsstätte des Unternehmens besteht – dann darf üblicherweise der Betriebsstätttenstaat das entsprechende Ergebnis der Betriebsstätte besteuern. Die VPR 2021 setzen sich umfangreich mit dem Thema Betriebsstätten auseinander – wichtige Voraussetzung dabei ist, dass ein ausländisches Unternehmen in Österreich eine Betriebsstätte begründen kann (gleiches gilt natürlich auch im umgekehrten Fall und ist daher für österreichische Unternehmen von Bedeutung). Wenn eine Betriebsstätte im Ausland begründet wird, stellen sich neben einem möglichen Doppelbesteuerungsrisiko oft auch administrative Anforderungen wie z.B. die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für die Betriebsstätte usw.

Bei den verschiedenen Ausprägungsformen von Betriebsstätten wird zwischen örtlicher Betriebsstätte (feste örtliche Einrichtung), Vertreterbetriebsstätte, Betriebsstätte aufgrund von Bauausführungen und Montage sowie gegebenenfalls Dienstleistungsbetriebsstätte (diese ist nur in einzelnen österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen enthalten) unterschieden. Ein wichtiges Kriterium für eine örtliche Betriebsstätte ist jenes der Verfügungsmacht über eine feste Einrichtung, wobei hier die VPR 2021 entgegen früheren Ansichten der österreichischen Finanzverwaltung einer weiteren Auslegung folgen und sich somit das Risiko einer Betriebsstättenbegründung (in Österreich) grundsätzlich erhöht hat. Aktualität hat – insbesondere in Zeiten der aktuellen COVID-19-Pandemie – das Thema Home-Office und damit das Risiko, dass ein Unternehmen durch seinen Arbeitnehmer im Home-Office (im Ausland) eine Betriebsstätte im Ausland begründet. Die VPR 2021 nennen hier zumindest zeitliche Richtwerte, ob tendenziell durch den Arbeitnehmer im Home-Office eine Betriebsstätte begründet werden kann oder nicht. Regelmäßig wird keine Betriebsstätte begründet, wenn die im Home-Office ausgeübten Tätigkeiten weniger als 25 % der Gesamtarbeitszeit des Arbeitsnehmers (z.B. 1 Tag pro Woche) ausmachen und somit als gelegentlich einzustufen sind. Hingegen kann bei einer mehr als 50 %igen Nutzung des Home-Office nicht mehr von einer bloß gelegentlichen Nutzung gesprochen werden; das Risiko der Begründung einer Betriebsstätte steigt entsprechend.

Liegt eine Betriebsstätte vor, so muss dieser ein fremdübliches steuerliches Ergebnis zugeordnet werden – selbst wenn Betriebsstätte und Stammhaus rechtlich eine Einheit darstellen. Unter dem Schlagwort „AOA-light“ (Authorized OECD Approach light) folgt die österreichische Finanzverwaltung – wie schon in der Vergangenheit – nur einer eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Das bedeutet, dass Darlehens-, Miet- und Lizenzverträge zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (und umgekehrt) steuerlich nicht anerkannt sind, sondern dass lediglich eine Zuordnung von Aufwendungen, die dem Unternehmen (also Stammhaus und Betriebsstätte gemeinsam) gegenüber fremden Dritten erwachsen sind, möglich ist. Generell gilt bei der Gewinnzurechnung bzw. der Höhe der Vergütung von Betriebsstätten, dass die Mitarbeiter in der Betriebsstätte den wichtigen Ausgangspunkt bilden (so genannte significant people functions) und maßgebend für die Zuordnung von Risiken, Wirtschaftsgütern und schließlich Dotationskapital zur Betriebsstätte sind.

DEMPE-Konzept

Bei Verrechnungspreisen ist seit jeher die Bedeutung von immateriellen Werten als Ausgangspunkt für die Bemessung einer fremdüblichen Vergütung nicht zu unterschätzen. Maßgebend für die Bestimmung bzw. Aufteilung der Gewinne im Konzern ist das von der OECD entwickelte DEMPE-Konzept. Bei konzerninternen Transaktionen i.Z.m. immateriellen Werten wie etwa bei der Lizensierung oder Auftragsforschung ist daher wichtig, welche Gesellschaft im Konzern die Funktionen Development (Entwicklung), Enhancement (Verbesserung), Maintenance (Instandhaltung), Protection (Schutz) und Exploitation (Verwertung) in Bezug auf die immateriellen Werte durchführt bzw. wer die finanziellen Kapazitäten hat und die Risikokontrollfunktion ausübt. Für die Ausübung der Risikokontrollfunktion sind typischerweise wiederum finanzielle wie auch entsprechend personelle Ressourcen notwendig.

Bild: © Adobe Stock – MQ-Illustrations

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