Abgrenzung zwischen ärztlicher Tätigkeit und Krankenanstalt

Der VwGH stellt im E. 19. Juni 2002, 2001/15/0053 in Abweichung von den Umsatzsteuerrichtlinien Tz 950 folgende Kriterien für die Abgrenzung der Tätigkeit eines Arztes von einer Krankenanstalt (z.B. Ambulatorium) auf:

::Für die ärztliche Tätigkeit ist die Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber den Patienten nach dem
Ärztegesetz maßgeblich.

::Krankenanstalten setzen eine organisatorische Einrichtung nach dem Krankenanstaltengesetz voraus. Infolge Verpflichtung zur Bestellung eines Stellvertreters des ärztlichen Leiters, müssen mindestens zwei Ärzte der Krankenanstalt zur Verfügung stehen. Der Behandlungsvertrag wird nicht nur mit dem Arzt, sondern auch mit der Einrichtung, die unter sanitätsbehördlicher Aufsicht steht, abgeschlossen. Weiters ist entscheidend, dass die Möglichkeit der gleichzeitigen Behandlung mehrerer Personen besteht.
Stand bisher – nach den Umsatzsteuerrichtlinien – eher eine pragmatische Lösung der Abgrenzung im Vordergrund (Zurechnung nach Überwiegen der betreffenden Tätigkeit) so löst der VwGH das Zurechnungsproblem rein auf Basis der Gesetzeslage (Ärztegesetz bzw. Krankenanstaltengesetz).

Steuerliche Folgen der Unterscheidung

::Einkommensteuer
Die Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit sind gemäß § 22 Z. 1 b EStG Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die Einkünfte aus Krankenanstalten dagegen gemäß § 23 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Zurechnung zu unterschiedlichen Einkunftsarten hat eine getrennte Gewinnermittlung zur Folge:
– Bilanzierungspflicht für Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Krankenanstalt) bei Überschreitung der Buchführungsgrenzen gemäß § 125 BAO (Jahresumsatz bis 2001 über S 5 Mio., ab 2002 über € 400.000,–).
Die Buchführungs- (Bilanzierungspflicht) beginnt dann, wenn diese Umsatzgrenzen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten worden sind.

– Einnahmen-Ausgabenrechnung für Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit.

::Umsatzsteuer
Erlöse aus ärztlicher Tätigkeit, soweit sie die Heilbehandlung betreffen, sind gemäß § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG unecht von der Umsatzsteuer befreit (daher kein Vorsteuerabzug).
Die Erlöse aus einer Krankenanstalt unterliegen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG dem ermäßigten Steuersatz von 10 %, wobei der Vorsteuerabzug zusteht.

::Betriebsprüfungsrisiko
Im Falle einer Umqualifikation von Einkünften bestehen folgende Risken: Wenn bisher keine Trennung der Erlöse aus ärztlicher Tätigkeit und Krankenanstalt erfolgte, und die Erlöse aus der Krankenanstalt mit 10 % versteuert worden sind, während die Erlöse aus ärztlicher Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit waren, ist mit folgenden Konsequenzen zu rechnen: Sofern die Kriterien einer Krankenanstalt vorliegen und die Buchführungsgrenzen überschritten sind, besteht ein Verstoß gegen die Buchführungsbestimmungen. Liegen dagegen die Kriterien für eine Krankenanstalt nicht vor, sind die Erlöse unecht von der Umsatzsteuer befreit. Dies hätte den Verlust des Vorsteuerabzuges zur Folge, während die Umsatzsteuerpflicht Kraft Rechnungslegung bestehen bleibt. Wurde für die Erlöse der Krankenanstalt aber die Ustbefreiung zu unrecht in Anspruch genommen, kommt es zur Nachbelastung mit der 10 %igen Umsatzsteuer, während die Vorsteuern, sofern nicht genau ermittelbar, geschätzt werden können.

::Sozialversicherung
Handelt es sich um eine gewerblich zugelassene Krankenanstalt, unterliegt die Person des „Rechtsträgers“ (verantwortlicher ärztlicher Leiter) gem. § 2(1)71 GSVG – als Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft – der Vollversicherungspflicht. Abschließend sei vermerkt, dass seitens des BMF zu dieser neuen Rechtsprechung noch keine Stellungnahme existiert. Die Auswirkung auf die Verwaltungsübung ist daher noch nicht absehbar.

 

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