Wenngleich die Zeiten von durch Zeitablauf steuerfreien Grundstücksveräußerungen (Stichwort Spekulationsfrist) vorüber sind, gibt es immer noch die Hauptwohnsitzbefreiung, welche eine prinzipielle Steuerpflicht von privaten Grundstücksveräußerungen verhindern kann. Eine solche Hauptwohnsitzbefreiung liegt etwa dann vor, wenn ein (bebautes) Grundstück seit der Anschaffung für mehr als zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat und nach dem 31.3.2012 verkauft wird. Entscheidend für diese Begünstigung ist auch die Zeitspanne zwischen Veräußerung und Aufgabe des Hauptwohnsitzes, da ein enger zeitlicher Zusammenhang gefordert wird. Außerdem gibt es noch die so genannte „5 aus 10-Regelung“, nach der die Hauptwohnsitzbefreiung auch dann zusteht, wenn innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Veräußerung mindestens 5 Jahre durchgehend in dieser Wohneinheit der Hauptwohnsitz begründet wurde.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hatte sich in zwei unterschiedlichen Fällen (GZ RV/6100633/2014 vom 28.10.2014 und GZ RV/7100571/2014 vom 7.11.2014) mit zwei Konstellationen auseinanderzusetzen, deren Gemeinsamkeit darin bestand, dass die Steuerpflichtigen jeweils auf die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung bestanden. In dem ersten Sachverhalt ging es darum, dass der Hauptwohnsitz mit Juli 2012 (Vertragsunterzeichnung) verkauft wurde, der Auszug aus der verkauften Doppelhaushälfte aber erst Ende Dezember 2013 erfolgte, da sich die Bauarbeiten für den neuen Hauptwohnsitz verzögert hatten. Das Finanzamt verneinte aufgrund dieser langen Dauer (rund 1,5 Jahre) zwischen Verkauf und Aufgabe des Hauptwohnsitzes die Hauptwohnsitzbefreiung, da der Hauptwohnsitz zu spät aufgegeben worden sei. Die Einkommensteuerrichtlinien sehen hierfür eine Toleranzgrenze von 1 Jahr vor (früher waren es nur 6 Monate). Das BFG teilte die Ansicht des Finanzamts unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Hauptwohnsitzbefreiung nicht. Durch die Befreiung soll nämlich sichergestellt werden, dass der Erlös aus der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht. Die überschrittene 1-Jahres-Frist kann im vorliegenden Fall nur als Indiz gewertet werden, weil bei planmäßigem Bauverlauf besagte Frist eingehalten worden wäre. Da im konkreten Fall die Steuerpflichtigen auch nicht für die Verzögerungen verantwortlich waren und der inhaltliche Zusammenhang zwischen der Veräußerung des alten Wohnsitzes und der Schaffung des neuen Wohnsitzes eindeutig gegeben war, sah das BFG die tatsächliche Frist zwischen Verkauf und Aufgabe des Hauptwohnsitzes von rund 1,5 Jahren als noch angemessen an und bejahte die Hauptwohnsitzbefreiung.
In dem anderen Sachverhalt verneinte das BFG jedoch die Hauptwohnsitzbefreiung. Dies, obwohl das Eigenheim (in den 70er Jahren) für über drei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hatte und somit die Voraussetzung der durchgehenden Nutzung von zumindest zwei Jahren gegeben war. Da jedoch dieser Hauptwohnsitz Ende 1973 an einen anderen Ort verlegt wurde und es erst im Jahr 2012 zum Verkauf des Eigenheims (ursprünglicher Hauptwohnsitz) kam, sah das BFG ein zu weites zeitliches Auseinanderklaffen zwischen Aufgabe des Hauptwohnsitzes und Verkauf des Wohnobjekts. Der Hauptwohnsitz war zu früh aufgegeben worden, wodurch die Hauptwohnsitzbefreiung verhindert wird. Die von der Verwaltungspraxis gewährte Toleranz für den Verkaufszeitpunkt von 1 Jahr vor bzw. nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes war jedenfalls weit überschritten worden.